Ist das «Motorradforum» ein Auslaufmodell?

Ich bewege mich seit 2004 in der Szene, war jahrelang zweiter Administrator im damals grössten Motorradforum der Schweiz. Unser 5er-Team hatte alle Hände voll mit Moderation zu tun und mehrmals wöchentlich fanden Events statt. Treffen an der Schneise Oberglatt, Ausfahrten,  Kriminalmuseum besuchen, Zusammen essen gehen, Sommerfeste, Chlauchhöcks – immer war «full house». Eine durchschnittliche Ausfahrt wurde von mindestens 30 Teilnehmenden besucht, es waren zeitweise auch über 100.
Man hatte Lieblingsmitglieder und auch andere – für alle hatte es Platz. Leider wurde dieses Forum mit über 3000 Mitgliedern vom damaligen Betreiber 2012 mutwillig gegen die Wand gefahren – aber das ist eine andere Geschichte.

Als heutiger Betreiber des kleinen feinen Motorradforums dampfrad.ch haben mein Team und ich heute die grösste Mühe, hin und wieder ein Treffen zu realisieren. Auf Tourausschreibungen meldet sich kaum eine Handvoll Leute. Es werden durchaus attraktive Events und Ausfahrten angeboten. Viele der Mitglieder stammen aus den vorher erwähnten alten Zeiten. Hin und wieder bekommen wir ein Grüppchen zusammen – aber immer auf Initiative eines Teammitglieds. Von «normalen» Mitgliedern kommt nichts. Soweit macht mir das nichts aus – es ist mein Hobby. 

Dennoch stelle ich mir hin und wieder die Frage nach dem Warum:

Die ganze Social-Media-Kultur hat schon vor ein paar Jahren Einzug gehalten. Es werden Facebook-Gruppen zum Thema Motorrad gebildet. Einzelne haben innerhalb eines Jahres  >2000 Mitglieder, Tendenz steigend. Dort wird viel gepostet. Meistens lieblose Fotos von irgendwelchen Ego-Trips oder Ausfahrten von Mini-Gruppen, oder sinnfreie Fragen gestellt wie «welchen Töff sol ich kaufen?» So richtige Events kommen auch da nicht zustande.

Vermutlich sind auch WhatsApp & Co. nicht unschuldig am Zeitgeist. Damit können natürlich Ausfahrten unter Gleichgesinnten geplant werden.  Offroad, Chopper, L-Fahrer, Schleicher und Raser tun sich so in separaten Gruppen zusammen. Es wird ausgelesen, wer dabei sein darf und wen man nicht in der Gruppe haben möchte. 

Ein weiterer Aspekt ist der Bekanntheitsgrad der hiesigen Strecken. Die Schweizer Pässe habe ich in den vergangenen 4 Jahrzehnten bis zum Gehtnichtmehr befahren. Die Anfahrt ist für mich mühsam, zeitraubend und langweilig. Das erhöhte Verkehrsaufkommen an den Wochenenden verdirbt einem zudem den Spass an unseren Alpenpässen gründlich. 
Die bekannten Täler des Südschwarzwaldes sind ebenalls «ausgelutscht». Interessante Tagestouren in neuen Gebieten und Strassen lassen sich nur mit erheblich grösseren Planungsaufwand realisieren. 

Eine Begebenheit  ist festzustellen: Wenn zwei- oder mehrtägige Touren ausgeschrieben werden, sind die ruckzuck ausgebucht. Der durchschnittliche Motorradfahrer von heute verfügt über die finanziellen Mittel für solche Touren. Praktisch auch, wenn eben dieser nichts zur Planung beitragen muss; Kaffe- und Tankstopps sind geplant und das Hotel gebucht. Meistens ist der Organisator auch Tourguide. So ist stressfreies Mitfahren für lau gewährleistet.

Es scheint wirklich der aktuelle Zeitgeist zu sein.

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